Interview mit Sofie D’Hoore

Die stille Kraft

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Eine moderne, feine Linienführung. Schöne, sinnliche Stoffe. Und gut ausgearbeitete Schnitte. Sofie D’Hoore entwirft seit fast dreißig Jahren herrliche Kleidung. Ein Gespräch mit Belgiens diskretester Modedesignerin.

Sofie d'Hoore

Als Yasmine Le Bon in einem Interview mit der Daily Mail ihr Outfit beschrieb (ein Hemdkleid von Sofie D'Hoore mit Sneakers von Christopher Kane) hat Sofie sofort einen Anruf der amerikanischen Vogue erhalten. Wer war doch diese belgische Designerin? Denn obwohl ihr Label in Amerika in bekannten Kaufhäusern wie Nordstrom und Bloomingdales liegt, bleibt sie für die Modepresse als Marke unter dem Radar. Auch wenn ihre treuen Fans sie immer zu finden wissen. Und Le Bon ist auch nicht die einzige VIP-Kundin. "Wir behandeln das diskret", sagt Sofie. “Unsere Kunden kaufen Sofie D’Hoore nicht aufgrund eines Understatements. Und um ehrlich zu sein, wir beschäftigen uns nicht sehr viel mit unserer PR. Vor einigen Monaten war eine Fotografin in der amerikanischen Vogue abgebildet, vollständig in meine Marke gekleidet. Chantal (Spaas, für die kaufmännisch Seite des Unternehmens zuständige Geschäftspartnerin) und ich haben uns gesagt, dass wir vielleicht doch mehr darüber kommunizieren müssen. Ich habe den Namen der Fotografin inzwischen wieder vergessen und wir hatten einfach keine Zeit, aus dieser Nachricht etwas zu machen. Das ist typisch.”

Sofie D’Hoore ist weder auf dem Catwalk noch in Anzeigen zu finden, dadurch wird ihre Marke weniger sichtbar.

"Es ist nicht so, dass ich unbedingt unter dem Radar bleiben möchte. Es liegt mir einfach nicht, große Shows zu organisieren oder lautstarke Statements abzugeben. Ich will eigentlich am liebsten in Ruhe meine Arbeit machen. Mehr als von einer Modenschau träume ich von einem eigenen Laden, den ich ganz nach meinen Wünschen gestalten kann. “

Alles beginnt beim Stoff

Minimalistisch, schlicht und pur. Mit diesen Worten werden ihre Entwürfe oftmals beschrieben. Sofie D’Hoore scheint genau das zu bieten, was Frauen heute suchen: Komfort, Schlichtheit und Modernität.

"Der Stil der Kollektion ist feminin und elegant, aber auch unterkühlt und kraftvoll. Schlicht. Das heißt nicht, dass meine Formen simpel sind. Ich arbeite hart an meinen Schnittmustern, die Schnitte sind sehr gut ausgearbeitet. Ich will besondere Formen schaffen, in einem schönen Stoff, danach muss die Kleidung für sich selbst sprechen."

Stoffe sind das absolute Steckenpferd von Sofie. "Ja, das ist mein ganz eigener Dada, ich kann endlos suchen, bis ich das richtige Material gefunden habe. Und aktuell ist fast jeder Fabrikant bereit, gemeinsam mit mir einen Stoff zu entwickeln. Das ist toll. Ein guter Schnitt, eine schöne Silhouette, der richtige Stoff in der richtigen Farbe ... Das ist das, was unsere Kunden von uns gewohnt sind und schätzen. Im Bon Marché in Paris habe ich vor kurzem zwei Frauen gesehen, die spontan auf meine Kollektion zugegangen sind und ein Hemd angefasst haben. 'Fühl doch mal, was für eine schöne Baumwolle', sagten sie. Über eine solche Bemerkung kann ich mich wirklich freuen."

Ihre Kollektion wird häufig mit dem Wort "frisch" beschrieben, ein schönes und unterschätztes Wort. Sofie: “Im Englischen gibt es den Begriff crisp, knackfrisch, das Gefühl frisch gewaschener Laken auf deinem Bett. Das ist für mich wichtig bei Kleidung. Jeden Tag, wenn du sauber aus der Dusche kommst, kannst ein Outfit auswählen und den Tag frisch beginnen."

Der frische und sparsame Stil wird geschätzt. Sofie: "Viele Frauen zwischen Vierzig und Sechzig greifen zu meiner Kleidung. Sie werden angezogen von den klaren Linien und den luxuriösen Materialien.  Und sie haben die Persönlichkeit, um diese Schlichtheit tragen zu können.  Ich höre ab und zu, dass meine Kleidung "jünger macht", das ist für mich ein Kompliment."

Wie schwierig ist es, in einer Kollektion ohne Schnickschnack weiterhin innovativ zu bleiben? "Ich merke, dass ich immer mehr nach dem Wesentlichen suche, dass ich mich an Folklore und traditionellen Trachten orientiere. Der Kimono, das afrikanische Kleid, die klassische Bluse. Wenn es diese Schnitte schon so lange gibt, dann hat das einen Grund. Momentan helfen mir diese "Urformen" dabei, meine Grenzen zu verschieben und neue Anregungen zu finden."

Es gibt viel Mode auf dem Markt, darüber macht sich Sofie manchmal Sorgen. "Manchmal denke ich: Ich bin auch Teil dieses Fast Fashion-Systems, ich mache dabei mit, bei dieser gigantischen Überproduktion. Ich kann nur meine eigene bescheidene Lösung bieten: Kleidung, die zeitlos ist, unabhängig von jedem Trend und die man Saison für Saison kombinieren und an die bestehende Garderobe anpassen kann. Und ich höre es Kunden auch tatsächlich sagen: Diese Hose trage ich jetzt schon seit zwanzig Jahren, und ich trage sie noch immer. “

 

Müssen, werden und sein

Sofie hat ihr zahnmedizinisches Studium abgeschlossen. "Ich bin in einer Familie von Ärzten aufgewachsen. Die Modeacademie in Antwerpen war keine Option, es sollte die Universität werden, etwas mit Medizin." Aber sie hat sehr schnell gewusst, dass sie den Beruf niemals ausüben würde. Das Interesse für Mode hat sie nie losgelassen. Sofie: "Nach dem Abschluss in Zahnmedizin habe ich mich im Studiengang Textilingenieurwesen eingeschrieben. Ich hatte gehofft, dass es ein kreativer Studiengang wäre, aber das war nicht so.  Also wurde es doch die Modeacademie, wo ich zwei Jahre lang geblieben bin. Bis ihre Eltern ihr den Geldhahn zudrehten. Daraufhin ging Sofie nach Mailand, um Arbeit zu suchen. "Ich hatte nicht viel Erfahrung und Referenzen, aber ich letztendlich vier Jahre dort gewohnt, gearbeitet und unglaublich viel gelernt. Wissen Sie, ich bin eine Kämpfernatur. Wenn es nur eine kleine Chance gibt, den Zug noch zu erreichen, dann erreiche ich ihn auch. Ich gebe niemals auf.  Dieser Tatendrang hat mir in Mailand sehr geholfen und ich habe ihn bis heute nicht verloren. Ich muss und ich werde, so bin ich. Ich bin Perfektionistin. Wenn ich einen bestimmten dunkelroten Ton haben möchte, dann darf man mir nicht damit kommen, dass es den nicht gibt. 'Gibt es nicht', das gibt es hier nicht, sage ich dann."

Das Angebot, eine eigene Kollektion zu gestalten, hat sie wieder nach Belgien gebracht. Inzwischen wird Sofie D'Hoore immer stärker.

"So würde ich es nicht beschreiben wollen. Ich habe den Eindruck, dass wir uns in den ersten zehn Jahren unglaublich abgemüht haben. Wir sind erst stärker geworden, als wir auch im Ausland verkauft haben. Chantal und ich hatten lange das Gefühl, erst Belgien erobern zu müssen, das wollte aber nicht gelingen. Wir hatten einige schöne Geschäfte wie Stijl in Brüssel, aber eigentlich kam mein Stil hier nicht so gut an. Die begeisterten Reaktionen bei unserer ersten Messe im Ausland waren eine Offenbarung."

Wir haben jetzt weltweit zweihundertfünfzig Verkaufsstellen. Große trendbestimmende Namen wie Dover Street Market (London, New York und Tokyo), wo Sophie D’Hoore neben Comme des Garçons und Vetements hängt, aber auch kleine persönliche Geschäfte wie Noodle Stories in Los Angeles, Egg in London, Imarika in Mailand oder MAC (Modern Appealing Clothing) in San Francisco. "Sofie hängt oft in Geschäften mit einem eigenwilligen Markenmix", sagt Chantal Spaas. "Wir haben immer Kunden gehabt, die keine davor hatten, einen neuen, unbekannten Designer zu fördern. Ich konnte immer mit Menschen arbeiten, die die Qualitäten der Kollektion sofort erkannt haben."

Collectie Sofie d'Hoore

Frei und fröhlich

Sofie D’Hoore ist unabhängig geblieben, ohne Investoren - "Es hat zwar Vorschläge gegeben, Chantal und ich sind aber niemals darauf eingegangen" - ohne Gesellschafter, ohne Agenten. "Freiheit ist für mich das Allerwichtigste. Ich muss mich nicht rechtfertigen, ich kann das tun, was ich gern tue."

Die Zusammenarbeit mit Chantal Spaas ist essentiell für diese Unabhängigkeit. Es muss einzigartig sein, Kreativität und Kommerzialität, die nebeneinander und in gegenseitigem Respekt wachsen, inzwischen seit bereits 28 Jahren. "Wir geben einander Freiheiten. Ich vertraue ihr vollkommen bei ihren Kontakten zu den Geschäften, sie mischt sich nicht in den kreativen Prozess ein. Sie gibt mir Feedback und sagt: deine weißen Hemden verkaufen sich gut.  Wenn ich mich aber dann entscheide, dennoch nur schwarze Hemden zu nähen, dann macht sie keine Schwierigkeiten. Manchmal sagt sie. 'Kannst du es nicht mit einem kleinen Logo versehen? Ein kleines Erkennungszeichen? Es würde beim Verkauf helfen.' Es ist eher ein Insider-Witz, denn sie weiß, dass das nichts für mich ist. Es ist nicht so, dass es niemals Reibungen zwischen uns gibt, die gibt es in jeder guten Ehe. Aber unsere Diskussionen sind konstruktiv. Ich sehe, dass sie unglaublich hart arbeitet, sie macht ihren Job mit Hingabe und setzt sich zu hundert Prozent ein. Sie weiß, dass ich dasselbe mache. Das erleichtert die Zusammenarbeit."

www.sofiedhoore.be

 

 

 

 

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